Viele Menschen fassen Pferde am Kopf an, ohne sich wirklich Gedanken zu machen. Pferde differenzieren dagegen sehr genau, wie ein Kontakt an der Nase entsteht und durchgeführt wird, denn er ist bereits der Einstieg in eine soziale Interaktion.
Bei einem Nasenkontakt unterscheiden Pferde, was im Anschluss passieren kann und in welcher Beziehung sie zu ihrem Gegenüber stehen. Daher gibt es für uns als Mensch nicht die eine Vorgehensweise, die wir anwenden können, um mit einem Pferd Kontakt aufzunehmen. Die Kontaktaufnahme zur sozialen Fellpflege, zum Spiel oder für einen Standortwechsel läuft jeweils anders ab. Pferde wissen also schon zu Beginn, was die Absicht ihres Gegenübers ist. Außerdem unterscheiden Pferde bei der Kontaktaufnahme, ob es sich um ein Pferd handelt, dass zu ihrer Herde gehört oder nicht. Eine Sache ist bei einem Nasenkontakt von Pferden aus verschiedenen Herden immer gleich: Sie treffen sich immer außerhalb ihrer Herde, auf neutralem Boden.

Der Nasenkontakt zwischen zwei erwachsenen Hengsten aus verschiedenen Herden macht die Beziehung zwischen den beiden Tieren sichtbar. Selbst aus großer Entfernung können die Pferde aus ihren Herden den Beziehungsstatus zwischen den beiden Hengsten erkennen. Für die Pferde in der Natur ist das wichtig, da sich das Miteinander der Herden nach der Beziehung zwischen ihren Althengsten richtet. Stehen die beiden Pferde beim Nasenkontakt frontal zueinander, handelt es sich um eine neutrale Stellung oder eine Kontaktaufnahme zwischen zwei Pferden, die eine eher distanzierte Beziehung pflegen. Daher ist der Rat, sich einem unbekannten Pferd von vorne zu nähern, nicht falsch. Aber wir sollten für einen Nasenkontakt nicht einfach in die Sicherheitszone einer Herde oder dem Individualbereich eines Pferdes eindringen, sondern ihm vorher ein Gesprächsangebot machen und warten, bis es sich freiwillig nähert. Bei Pferden, die eine engere Freundschaft verbindet, erfolgt der Nasenkontakt dann sogar in einer T-Stellung.

Neben der anderen Körperstellung können wir dabei auch häufig beobachten, dass die Nasen der beiden Pferde sich nicht mehr voreinander befinden, sondern aneinander vorbei schieben. Diese Geste kann, indem sich die beiden Hengste in gleicher Blickrichtung aufstellen, gesteigert werden. Die Erlaubnis für das andere Pferd, dabei weit in die verletzliche eigene Intimzone einzutreten, ist ein großer Vertrauensbeweis. Die Signale und die dabei herrschende Ruhe gleichen schon fast einer Kommunikation zwischen zwei Pferden innerhalb einer Herde.

NASENKONTAKT INNERHALB EINER HERDE
Der intime Nasenkontakt zwischen einem Hengst und einer Stute, die zusammen in einer Herde leben, ist genauso respektvoll. Unabhängig von der Körperstellung gibt der Hengst der Stute die Möglichkeit, mit ihrem Kopf seitlich auszuweichen. Nur wenn sie an einer weiteren Interaktion interessiert ist, erwidert sie den Nasenkontakt. Diese intime Form der Kontaktaufnahme findet nicht nur zur Paarung statt, sondern ist ganzjährig zu beobachten. Dabei befinden sich beide Pferde in einer ruhigen Energie und es folgt eine gelassene gemeinsame Aktivität. Generell können wir sagen, dass jede Kommunikation aus zwei Komponenten besteht: den Signalen und der Energie.

Ein Nasenkontakt mit einer höheren Grundenergie bedeutet für Pferde, dass eine aktivere Aktion folgen soll. Erfolgen die Berührungen an der Nase dynamischer und wechselseitig, handelt es sich um eine Spielaufforderung. Und auch bei dieser Form der Kontaktaufnahme können wir Unterschiede beobachten. Neben der Intensität der Berührungen an der Nase spielen der Rhythmus und die Pausen zwischen den Kontakten eine Rolle für den anschließenden Verlauf des Spiels zwischen den beiden Pferden. Eine Gemeinsamkeit zu den ruhigeren Berührungen an der Nase können wir dennoch beobachten: Die Pferde geben sich die Möglichkeit, um mit dem Kopf auszuweichen und so dem Kontakt aus dem Weg zu gehen.



Die Berührung eines Pferdes an der Nase sollten wir nicht als Begrüßung ansehen, sondern als eine Kontaktaufnahme, bei der bereits das Signal für die anschließende gemeinsame Aktivität enthalten ist. Allerdings können wir nicht einfach die Signale zwischen Pferden, die eine sehr enge und vertraute Beziehung zueinander pflegen, nachmachen, nur weil wir uns auch eine solche Beziehung wünschen. Wir müssen erst eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen und immer die Signale und Energie einsetzen, die zum jeweiligen Pferd und der Situation passen. Dabei sollten wir neben unserem Beziehungsstatus auch das Alter, das Geschlecht und den individuellen Charakter des Pferdes berücksichtigen.