MEHRFACH BELEGTE PFERDESIGNALE

Ein Pferd schüttelt sich. Jeder Reiter weiß, es kann sich um das Vertreiben von Fliegen, ein Komfortverhalten nach dem Wälzen oder ein Anzeichen von Stress nach einer angespannten Situation handeln. Es gibt aber auch mehrfach belegte Pferdesignale, die weniger bekannt sind und in der direkten Kommunikation eingesetzt werden.

Die Probleme beginnen genau dort, wo wir uns körpersprachlich für unsere Pferde nicht präzise ausdrücken. In der Kommunikation von Mensch zu Mensch können wir unsere Signale durch das gesprochene Wort zu einer eindeutigen Mitteilung vervollständigen. 

Ein Beispiel

Mache einfach einmal folgende Geste: Tippe dir mit dem rechten Zeigefinger an deine Schläfe. Was bedeutet diese Geste? Erst der Kontext oder was du dazu sagst geben diesem Signal absolute Klarheit. Die Botschaft: „Du Idiot!“ versteht im Zusammenhang mit dem sich an die Schläfe tippen jeder Autofahrer, auch wenn er die Worte nicht hört. Es ist unwahrscheinlich, dass du zu einem dich auf eine freche Art und Weise überholenden Autofahrer sagst: „Echt clever, dein Überholmanöver“, und du ihm damit Respekt zollst. Sitzt du dagegen mit deiner besten Freundin gemütlich beim Kaffeetrinken und sie erzählt dir davon, wie sie die Laufwege in ihrem Paddock-Trail für ihre Pferde stressfreier gestaltet hat, wäre ein „Echt clever!“ die von ihr erwartete Reaktion. Tippst du dir dabei an die Schläfe, wird deine Freundin deine Geste als stimmiges Lob verstehen.

Pferdesignale - der Hengst hat Herde im Blick

Der Hengst (rechts) signalisiert seiner Herde, wo der Ruhebereich endet.

Körpersprache

In der Kommunikation mit unseren Pferden nimmt die Körpersprache einen großen Teil ein und wir können nicht immer auf eine Verdeutlichung unserer Gesten durch unsere Stimme zählen. Zwar setzen auch Pferde akustische Signale ein, aber nur selten um ihre Körpersprache zu verdeutlichen. Auditive Signale innerhalb einer Herde verwenden Pferde normalerweise nur, wenn durch optische Hindernisse ihre Körpersprache für die anderen Pferde nicht zu sehen ist. Können sich Pferde gegenseitig sehen, bevorzugen sie in den meisten Fällen ihre Körpersprache zur Verständigung und können die Signale zweifelsfrei einordnen. Und das sogar, wenn ein Signal mehrere Bedeutungen hat, denn neben der Situation spielt auch der Beziehungsstatus der beiden miteinander kommunizierenden Pferde eine wichtige Rolle. Sehr deutlich wird das, wenn ein Pferd ein anderes lenkt.

Konik - mach Platz Signal

Signal: Gehe sofort in diese Richtung.

Konik - feine Signal zum lenken anderer Pferde

Signal: Gehe auf keinen Fall dort hin.

PFERDE LENKEN

Innerhalb einer Herde können wir viele Situationen beobachten, in denen ein Pferd ein anderes lenkt. Die offensichtlichsten sind ein Standortwechsel, ein Rückzug oder eine Flucht. Aber auch im Spiel, beim Aufstellen zum Ruhen oder während der Nahrungsaufnahme lenken sich Pferde gegenseitig. Ja, richtig: gegenseitig! Lenken und Führung können zwar miteinander verknüpft sein, müssen es aber nicht. Jedes Pferd aus einer Herde hat die Möglichkeit ein anderes zu dirigieren. Die typische Art dieser Kommunikation ist ein Dialog aus Frage und Antwort. Die Zeitspanne zwischen dem Signal und der Reaktion ist übrigens der Hauptgrund, warum es bei der Kommunikation zwischen zwei Pferden nicht zu Konflikten kommt. Geben auch wir unseren Pferden in der Alltagskommunikation etwas mehr Zeit um zu antworten, werden unsere Pferde gelassener und glücklicher.

Signale bekommen je nach Situation und Beziehungsstatus zwischen zwei Pferden eine andere Bedeutung.

DAS ZEIGEN DER SCHULTER

Das Zeigen der Schulter ist ein sehr häufig verwendetes Signal in der Kommunikation zwischen zwei Pferden. Es dient sowohl dazu, ein anderes Pferd in eine bestimmte Richtung zu bewegen, sich selbst den Weg frei zu machen, ein anderes Pferd zu stoppen und die Rangordnung festzulegen. Jetzt denkst du vielleicht: „Super, ich muss diese Pferdegeste nur noch für die menschliche Anatomie übersetzen und dann habe ich ein universelles Signal, mit dem ich mehrere Probleme auf einmal lösen kann.“ Leider ist es nicht ganz so einfach.

Leithengst Karl setzt Grenzen

Dieses Signal hat verschiedene Bedeutungen. Es kommt darauf, wer der Empfänger der Mitteilung ist..

EINE BEDEUTUNG

Wir haben mit dem Signal „Das Zeigen der Schulter“ eine Geste, die in verschiedenen Gesprächen zwischen Pferden Verwendung findet und aufgrund des Zusammenhanges eine vollkommen andere Bedeutung bekommt. Die Mitteilung ist dennoch immer gleich. Durch das Signal macht das Pferd, welches es zeigt, deutlich, dass es in den Raum vor sich beansprucht. Haben wir also zwei Hengste aus verschiedenen Herden, können sie dadurch ihr Verhältnis zueinander klären ohne in eine körperliche Auseinandersetzung zu geraten. Befindet sich die Herde in einem Standortwechsel, kann die Bewegungsrichtung lautlos von Pferd zu Pferd weitergegeben werden. Stellen sich die Pferde zum Ruhen auf, können sie mithilfe dieses Signals ihren Platz in der Gruppe finden. Kommt dagegen eine andere Herde zu nah, kann der Althengst diese sogar auf größere Entfernung durch das Zeigen seiner Schulter stoppen und auf Abstand halten.

Wie du siehst, sind Pferde also Meister der Kommunikation und nutzen die kleinsten Signale, um verschiedene Dinge auszudrücken oder auch einzufordern. Und entgegen der allgemeinen Meinung hat ein Signal durchaus mehrere Bedeutungen. Oder aber auch andere, wenn es in Dynamik, Richtung, Haltung variiert wird.  

In der Masterclass  findest du deshalb auch die Möglichkeit deine Blick in Praxis-Videos mit unterschiedlichen Alltagsszenen zu schulen. Natürlich anhand von Original-Aufnahmen bei ganz klar sprechenden Wildpferden.

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Masterclass

Lerne von wilden Pferden!

Denn du kannst so viel von ihnen lernen – wie ihre Herden funktionieren, wie du ihre tief verwurzelten Bedürfnisse mit einfachen Mitteln erfüllen und in ihrer Muttersprache mit ihnen kommunizieren kannst.

Mit diesem Wissen kannst du eine starke Partnerschaft auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen und Respekt aufbauen und deinem Pferd ein naturnahes Leben ermöglichen.

Weil die einzigartige Bindung zu einem glücklichen, gesunden Pferd eine der größten Gaben des Lebens ist – oder!