WENN DEIN PFERD STEHEN BLEIBT, UM ZU HORCHEN…

… dann lass es einfach einmal zu. Du wirst vielleicht überrascht sein, über die Reaktion oder auch Veränderung zu dem dein Handeln führt.

Jeder Reiter weiß, dass sein Pferd besser und auch anders hört als er selbst. Doch bist du dir auch im Klaren darüber, was dieses Anders für Auswirkungen auf das Verhalten deines Pferdes und auf deine Beziehung zu ihm hat?

Für mich war es früher eher langweilig, mich mit dem Gehör des Pferdes zu beschäftigen – doch es gehörte zur „guten“ Reiterausbildung einfach dazu. Gelernt habe ich dann auch brav das, was in den Fachbüchern steht. Erst mit den Wildpferden wurde das Hören der Pferde für mich wahnsinnig spannend… Denn was sagt dir der Fakt „Dein Pferd kann Geräusche noch in 4000 Metern Entfernung wahrnehmen“, wenn du nie erlebt hast, was das für das Leben und Verhalten der Pferde bedeutet?

Marc Lubetzki - Wildpferde WENN DEIN PFERD STEHEN BLEIBT, UM ZU HORCHEN…

Hören sichtbar gemacht. Beim Ruhen schalten Pferde das Sichtfeld fast komplett aus, sind aber über die Ohren verbunden. Zusätzlich sichern einige Tiere der Gurppe rundum ab. Sind Pferde allein, müssen für die selbe Sicherheit ständig mit den Ohren spielen

Das Hören auf großen Distanzen, kombiniert damit, dass Pferde ihre Ohren um 180° drehen können, befähigt Pferde sowohl die Richtung als auch die Distanz eines Geräusches genau lokalisieren. Wilde Pferde sortieren neben der Richtung des Geräuschs auch nach der jeweiligen Quelle. Dadurch, dass sie jedes „normale“ Geräusch in ihrem Lebensumfeld kennen, wissen sie instinktiv, welche Geräusche einen Angriff von Raubtieren oder andere mögliche Gefahren ankündigen.

Dabei sind es nicht nur knackende Äste, die sie beunruhigen, sondern auch auffliegende Vögel oder der Stresslaut eines anderen Tieres. Dazu kommt, das dein Pferd wie Elefanten oder Wale im Infraschallbereich und zusätzlich auch – wie Fledermäuse – Ultraschallfrequenzen hören. Im Vergleich zu deinem Pferd bist du als Mensch also eigentlich fast taub und so kommen Fluchtreaktionen für uns oft überraschend.

Für dein Pferd ist es, auch wenn es jetzt von dir behütet lebt, immer noch sehr wichtig, sich auf die Warnfunktion durch sein Gehör verlassen zu können. Zu tief verankert sind diese Instinkte, als das wir sie ihm hätten wegzüchten oder abtrainieren können. Und das ist uns oft nicht bewusst. Auch nicht bewusst, ist uns häufig, dass unsere Pferde in unserer modernen Welt mit Geräuschen überflutet werden, was ein Sortieren der Geräusche für dein Pferd schwierig macht. Wenn es seinem Instinkt jedoch nicht mehr folgen kann, hat das oft sehr krasse Auswirkungen auf sein Verhalten. Der Dauerstress, der dann entsteht, macht selbst das ungeklärteste Pferd irgendwann nervös, hyperaktiv oder schreckhaft. Und diese psychische Anspannung überträgt sich dann auch auf die Körperfunktionen.

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Schau einmal genau hin. Die stehende Wache hat etwas gehört. Seine Körperspannung verrät aber, dass das Geräusch nicht ungekannt ist, sodass die Herde nicht alarmiert wird.

FÜR EIN BESSERES VERHÄLTNIS ZUM PFERD

Vielleicht denkst du jetzt: „Er hat ja recht, doch was kann ich tun – unsere Welt ist nun einmal laut.“ Das mag sein. Doch frage dich einmal was du dazu beiträgst und wo du Geräusche vielleicht einsparen oder an welchem Ort du deinem Pferd ´mal eine Hörpause bieten kannst?

Auch wenn du meinst, nichts gegen bestimmte Geräusche tun zu können… Wir tragen häufig mehr oder weniger dazu bei, dass es für Pferde laut ist. Menschen reden einfach viel und oft auch unnötig laut, doch dieses Verhalten belastet das Vertrauensverhältnis unserer Pferde zu uns. Dein Pferd versteht ja deine Worte nicht. Es hört nur das du ständig etwas warnend vor dich hin brummelst.

Stille ist eine ganz besondere Art der Kommunikation und ich bin immer wieder erstaunt, wie viel ich Pferden sagen kann, ohne ein Wort zu sprechen.

FÜR EIN BESSERES VERHÄLTNIS ZUM PFERD

Die lauten Geräusche stellen instinktiv eine Gefahrenquelle für dein Pferd dar, denn sie könnten euch an Raubtiere verraten. Oder, wenn es deine Laute als Warnung aufnimmt – laute Stimmsignale sind in der Natur oft Warnrufe – dann wirst du für dein Pferd unglaubwürdig, da du ständig warnst, dich aber nicht entsprechend verhältst. Und ja, dein Pferd glaubt auch jetzt an den „Säbelzahntiger“, der irgendwo lauert und nicht nur, wenn es an der gelben Mülltonne vorbei soll. Es gibt also durchaus Dinge, die du tun kannst, um Dauerstress durch Lärm für dein Pferd zu vermeiden oder zu reduzieren und damit sein Vertrauen in dich zu stärken. Brummeln ist nicht unnatürlich. Wilde Pferde nutzten es zum Beispiel, um einen Ortswechsel anzukündigen. Ein Pferd brummelt leise, um seine Herde aufmerksam zu machen, dass es gleich losgeht. Doch die Betonung liegt hier auf LEISE. Ein leises Stimmsignal von dir, wenn du mit deinem Pferd gleich in die Halle gehen willst, ist als Ankündigung also total okay. Es bereitet es auf den Umzug vor und zeigt ihm, dass du an sein Wohlergehen denkst. Ganz anders wirkst du, wenn du in der ganzen Zeit des Putzens mit ihm redest oder dich mit einer Freundin unterhältst. Deine Aufmerksamkeit liegt nicht auf deinem Pferd, sondern auf den gesprochenen Worten. Auch wenn du meinst, nichts gegen bestimmte Geräusche tun zu können… Wir tragen häufig mehr oder weniger dazu bei, dass es für Pferde laut ist. Menschen reden einfach viel und oft auch unnötig laut, doch dieses Verhalten belastet das Vertrauensverhältnis unserer Pferde zu uns. Dein Pferd versteht ja deine Worte nicht. Es hört nur das du ständig etwas warnend vor dich hin brummelst.
Marc Lubetzki - Wildpferde WENN DEIN PFERD STEHEN BLEIBT, UM ZU HORCHEN…

Stille ist bedeutet in der Natur nicht geräuschlos. Stille beinhaltet natürliche Geräusche, die für jeden – auch für uns – gut einzuordnen sind, ohne uns zu überfordern.

JE LEISER, DESTO BESSER

Ich erlebe auf meinen Reisen immer wieder wie wichtig Stille für Pferde ist. Wobei Stille nicht geräuschlos heißt. Vogelgezwitscher, Windgeräusche oder auch leises Schnaufen oder Kaugeräusche sind immer zu hören, wenn man darauf achtet. Doch wenn ich bei den wilden Pferden einmal der Versuchung erliege, mich mit einem Begleiter zu unterhalten – und ist es auch nur ganz leise – bekomme ich sofort die Quittung. Die Pferde gehen auf Abstand. Deshalb bin ich am liebsten alleine unterwegs. Wenn möglich verbringe doch einmal eine Zeit alleine bei deinem Pferd – ohne zu reden – es gibt nichts erholsameres. Natürlich können wir unsere Pferde nicht vor allen Zivilisationsgeräuschen abschirmen. Doch je stiller es im Stall ist und je lautloser du dich mit deinem Pferd unterhältst, desto pferdegerechter ist es. Wir haben lange darauf achten müssen, unsere Pferde nicht lautstark zu begrüßen. Und auch jetzt rutscht noch manchmal ein „Hallo Mädels“ ´raus. Auch wir können unsere Pferde nicht davor schützen, dass der Nachbar Rasen mäht, Holz sägt oder mit dem Traktor herumfährt. Doch grundsätzlich ist es bei uns still – kein Radio, nur wenige leise Worte. Egal ob wir die Pferde putzen, füttern oder von der Koppel holen. Dadurch wirken Stimmsignal plötzlich anders. Unsere Pferde können sich an die paar unnatürlichen Geräusche gewöhnen und lernen sie einzusortieren. Und uns tut diese innige Zweisamkeit mit dem Fokus auf unsere Pferde genauso gut – endlich ´mal der Hektik der Menschheit entfliehen. Da wird sogar das Abäppeln des Auslaufes zur Erholung ;-).
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Masterclass

Lerne von wilden Pferden!

Denn du kannst so viel von ihnen lernen – wie ihre Herden funktionieren, wie du ihre tief verwurzelten Bedürfnisse mit einfachen Mitteln erfüllen und in ihrer Muttersprache mit ihnen kommunizieren kannst.

Mit diesem Wissen kannst du eine starke Partnerschaft auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen und Respekt aufbauen und deinem Pferd ein naturnahes Leben ermöglichen.

Weil die einzigartige Bindung zu einem glücklichen, gesunden Pferd eine der größten Gaben des Lebens ist – oder!