EIN UNBEKANNTES PFERDELAND

Nach längerer Planung machten wir uns letzten Monat auf den Weg, um ein neues und unbekanntes Pferdeland zu erkunden. Dabei sind uns Parallelen aufgefallen, die Pferdehalter durchleben, wenn sie über einen Stallwechsel nachdenken und einen neuen Platz für ihr Pferd suchen.

Im Vorfeld haben wir gründlich recherchiert. Google hat geholfen und auch Kontakte zu Menschen, die in dem Land leben. Locals fragen ist immer sehr hilfreich. 

Allerdings ist bei allen Quellen auch Vorsicht geboten, denn die Einschätzung von Gegebenheiten liegt oftmals weit entfernt von unseren Vorstellungen. So bekomme ich häufig Tipps über Standorte von Wildpferden, die sich nicht selten als robust gehaltene Hauspferde herausstellen. Für die Pferde ist das natürlich schön, aber für meine Forschungsarbeiten an wild lebenden Pferden nicht geeignet.

Genauso kleine und letztendlich doch gravierende Unterschiede gibt es auch, wenn du dich nach der Heuqualität oder der Einstreu in einem anderen Stall erkundigst. 

Was für den einen Pferdehalter super ist, ist für dich und dein Pferd womöglich inakzeptabel. Abhängig vom eigenen Status quo und der Erwartungshaltung sollest du gut überlegen, ob ein Stallwechsel wirklich eine Verbesserung für dein Pferd sein wird.

Bei der Erkundung eines neuen Gebietes, in dem Wildpferde leben, haben wir zum Glück nicht das Problem, dass wir ein anderes dafür aufgeben müssen. Und so war unsere Idee, ein zusätzliches Gebiet mit in unsere Forschung aufzunehmen, dass größeren Wetterschwankungen ausgesetzt ist.

In den Bergen, weit entfernt vom Golfstrom herrschen je nach Jahreszeit große Temperaturunterschiede. Wir haben uns für unsere erste Erkundungsreise den Herbst ausgesucht. Bis Oktober soll es nach unseren Informationen dort noch einigermaßen gemäßigt sein. Tagsüber können wir mit angenehm warmem Wetter rechnen, nur nachts könnte das Thermometer unter null Grad sinken. 

Voller Neugier begebe ich mich zusammen mit meiner lieben Frau Eike und unserem Hund Jael auf die fünf Tage dauernde Anreise.

Sonne im Wald
Urwälder gehören zu den seltensten Lebensräumen unserer Erde.

Wanderung durch unberührte Wälder

Bei Sonnenaufgang machen wir uns auf den Weg in den Urwald. Urwälder gehören mittlerweile zu den seltensten Lebensräumen auf unserer Erde. Daher genießen wir es besonders durch einen Wald zu gehen, in dem weder Bäume gefällt wurden noch Aufforstungen stattfanden. Seit hunderten Jahren reguliert sich dieser Wald selbst. 

Meine Frau hatte sich riesig darauf gefreut, durch einen unberührten Wald zu streifen. Um ihre Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben, sagte ich auf unserer Anreise, dass sie nicht enttäuscht sein sollte, wenn sich der Urwald nicht so sehr von unseren heimischen Laubwäldern unterscheidet.

Tatsächlich finden wir hier genauso wie in deutschen Forsten: Buchen, Eschen, Ahorn und Birken. An den steileren Hängen haben sich dazu Tannen angesiedelt. Und da wird dann der große Unterschied zu einem Wirtschaftswald sichtbar. 

In einem Urwald wachsen die verschiedenen Baumarten dort, wo der Boden und das Umfeld für sie am besten passt. Außerdem ist der Urwald recht gleichmäßig mit alten und jungen Bäumen durchmischt. 

Während Eike den Boden auf kleinen Lichtungen nach Gräsern, Kräutern und Pilzen absucht, haben es mir die uralten gewaltigen Bäume angetan.

alter Baum
Ein alter abgestorbener Baum.
Bodenpflanze
Ein Waldvergissmeinnicht.
großer Stammumfang
Eine Buche mit 3,60 Meter Umfang.
Eike Lubetzki Pflanzen im Wald
Eike schaut zusammen mit Jael aus dem Bergwald heraus.

Die Vegetation ändert sich

Wir steigen immer weiter auf und nähern uns der Baumgrenze.

Während sich Pferde im tiefen Wald eher selten aufhalten, zählen Waldränder zu beliebten Standorten von Wildpferden. Daher ist es auch nicht nötig, riesige Wälder für unsere Hauspferde anzulegen.

Über ein kleines Wäldchen, dass Schutz vor Sonne und Regen bietet und außerdem das Nahrungsangebot auf natürliche Weise erweitert, wird dein Pferd aber bestimmt dankbar sein.

Ideal ist es für Pferde, wenn an einem lichten Naturwald halb offenes Buschland und weite, leicht hügelige Flächen grenzen.

Berge im Herbst
Ein sanfter Übergang von Wald zu Buschland und offenen Flächen.

Ruhe und Bewegung

Pferde brauchen in ihrem Lebensraum die Möglichkeit, mehreren Grundbedürfnissen nachzugehen. Optimal ist es, wenn die Flächen so miteinander verbunden sind, dass die Pferde mühelos ihre Aktivität ändern können. Sie benötigen Bereiche,

  • an denen sie sich Ausruhen können
  • mit guter Fernsicht
  • die sie vor Wind, Regen und Sonne schützen
  • in denen sie genug Nahrung finden
natürlicher Lebensraum für Pferde
Ein natürlicher Lebensraum bietet Pferden viel Abwechslung.

Pferde sind Pflanzenfresser

Leider hält sich das Dogma, Pferde sind Steppentiere und Grasfresser sehr hartnäckig. Daraus resultierend werden Pferde häufig auf langweiligen Flächen mit hochgezüchteten Gräsern gehalten. Dabei ist der natürliche Lebensraum von Pferden so viel facettenreicher.

Sollest du auf der Suche nach einem neuen Stall für dein Pferd sein, achte unbedingt darauf, dass nicht nur eine Handvoll der typischen Grassorten auf den Weiden wächst. Eine Weide, die früher einmal einseitig und langweilig angelegt wurde, kann jederzeit in einen echten Naturraum umgestaltet werden. Dabei ist es nicht nötig, dass die Pferde auch alle Pflanzen gleichmäßig abfressen. Ganz im Gegenteil: Pflanzen, die gar nicht oder selten von Pferden gefressen werden, verbessern die Biodiversität eines Ökosystems.

So finden wir auch hier in der kargen Bergwelt Pflanzen, die zu den Grundnahrungsmitteln, zu den Bedarfspflanzen oder zu den Heilpflanzen zählen. Außerdem entdecken wir auch Pflanzen, die von Pferden gemieden werden.

Kiefer
Krüppelkiefer
Pferdegräser
Borstgras
Kräuter in den Bergen
Mauerpfeffer
Nahrung für Pferde
Farn

Die Laufwege der Pferde

Die ersten Hinweise auf wild lebende Pferde sind die Laufwege auf ihren Wanderstrecken. Von oben können wir sehr schön die charakteristischen „Schlangenlinien“ sehen. Pferde bewegen sich in der Natur niemals auf geraden Strecken, sondern „eiern“ bei einem Standortwechsel immer etwas umher. Durch diese Art der Fortbewegung können sie ihr Umfeld besser im Blick behalten. Wir folgen ihren Pfaden, bis die Sonne hinter den Bergen untergeht.

Trampelpfade Pferde
Die Laufwege der Wildpferde sind von einem erhöhten Standpunkt besonders gut zu sehen.

Pferde bei Nacht

Vor uns liegen mehr als 1.000 Quadratkilometer Einsamkeit. Es ist das Kerngebiet, indem wir die Wildpferde vermuten. Bei Einbruch der Dämmerung unterbrechen wir unsere Wanderung, legen uns auf einen steinigen Hügel und blicken in den dunklen Nachthimmel. Nach und nach erscheinen immer mehr Sterne über uns und eine Stunde später taucht die Milchstraße am Horizont über den sanften Hügeln des Bergmassivs auf. Das beeindruckende Naturschauspiel wird kurz darauf vom aufgehenden Mond beendet. Er ist so hell, dass wir unsere Stirnlampen ausschalten können und trotzdem genug sehen.

Die für uns so angenehme Nacht ist allerdings ein Nachteil für die Suche nach Wildpferden. In einer windstillen Nacht, bei kristallklarer Luft und guter Sicht ruhen sie meist etwas unterhalb der Erhöhungen. Nur wenn sich die Niederungen mit Dunst füllen oder die Pferde sich unsicher fühlen, steigen sie auf die erhöhten Aussichtspunkte.

Milchstrasse in den Bergen
Kurz nach Sonnenuntergang ist die Milchstraße am Himmel sichtbar.

Wir entscheiden uns dafür, an diesem wunderschönen Platz zu bleiben und konzentrieren uns darauf, ein Schnauben, leises Wiehern oder Hufgetrappel wahrzunehmen. Nach einer Weile fallen wir völlig erschöpft in eine Art Halbschlaf. Nur unser Hund bleibt aufmerksam und weckt uns im Verlauf der Nacht zweimal.

Auch wir hören ein für uns unbekanntes Geräusch. Ein paar Steine fallen einen Berghang herunter. Ein Steinschlag kann durch vorbeilaufende Tiere ausgelöst werden. Aber auch kleine Erdstöße können Steine aus den Felsen lösen. Ich leuchte mit meiner Lampe in die Richtung des Geräusches, kann aber weder Tiere sehen noch irgendwelche Laute hören. Nicht einmal eine Fliege oder Mücke summt durch die Nacht. Es ist sozusagen mucks mäuschen Still.

Ich rechne den Steinschlag daher den hier typischen Erdbewegungen zu, zumal ich beim Fotografieren der Milchstraße schon das Gefühl hatte, dass der Boden etwas schwankte. Und tatsächlich wurden, wie wir nach unserer Heimreise herausfanden, circa 60 Kilometer von unserem Standpunkt entfernt, erhöhte seismische Aktivitäten registriert. Wohlwissend hatten wir unser Lager nicht in der Nähe von Felswänden oder Geröllhängen gewählt.

Ein neuer Tag bricht an

Mit einsetzender Morgendämmerung steigen wir, um eine noch bessere Übersicht zu bekommen, etwas höher. Ein typisches Verhalten von Pferden ist es, am Morgen ihren Schlafplatz zu verlassen und zum Fressen in ein neues Weidegebiet zu ziehen. Um wieder den Bogen zur Auswahl eines pferdegerechten Stalls zu schlagen: Pferde sollten nicht an dem Ort gefüttert werden, an dem sie auch schlafen.

Wir warten daher geduldig darauf, dass irgendwo in der Ferne ein paar Pferde über einen Hügel in eine neues Fressgebiet wandern. Dass die Wildpferde eine Wasserstelle aufsuchen, ist zu dieser Zeit dagegen unwahrscheinlich. Für gewöhnlich machen sie das in trockenen Gebieten erst gegen Vormittag.

Morgen im Gebirge
Wir suchen uns einen hohen Standpunkt, um Pferde beim morgendlichen Standortwechsel zu entdecken.

Hinweis Paddockgestaltung

In der Masterclass stellen wir verschiedene Möglichkeiten der Paddock -und Weidegestaltung vor.

Angepasst an die lokale Topografie sollten unterschiedliche Ruhe- und Fressplätze angelegt werden. Dabei fungieren die jeweiligen Orte je nach Witterung und Jahreszeit entweder als Fressplatz oder als Ruhebereich.

Durch diese Methode kann selbst bei wenig Platz ein vielfältiges und natürliches Umfeld für Pferde geschaffen werden.

Möchtest du wissen, wie du das auch bei dir schaffen kannst, dann teste die Masterclass doch jetzt einen Monat lang.

mehr Infos & Probemonat: www.Marc-Lubetzki.de/Masterclass

Aktive Pferdesuche

Nach Sonnenaufgang machen wir uns aktiv auf die Suche nach Wildpferden. Um ein größeres Gebiet abdecken zu können, teilen wir uns auf. Eike läuft mit Jael eine weite, verhältnismäßig ebene Fläche ab, während ich die höher gelegenen Trampelpfade der Pferde abgehe. Es dauert nicht lange, bis wir beide fündig werden. Zwar sichten wir keine Pferde, aber Pferdeäpfel. Viele Kothaufen an einem Ort sind ein Indiz für einen Fressbereich oder einen Ruheplatz.

Liegestellen finden wir nicht, dafür abgebissene Pflanzen und sogar ein paar Hufabdrücke. Anhand von wenigen Hufspuren die Laufrichtung der Pferde zu bestimmen, ist kaum möglich. Umgeknickte Gräser, die vermehrt in eine Richtung zeigen, helfen dagegen schon eher. Das Alter der Kothaufen gibt dazu die noch die fehlende zeitliche Information über den Aufenthalt der Wildpferde. Leider finden wir im gesamten Tal keine frischen Pferdeäpfel.

Trotzdem gehen wir weiter und stoßen später auf die Überreste eines Pferdes. Ein typischer Fund bei der Erkundung eines Gebietes und ein weiterer Hinweis dafür, dass hier tatsächlich wilde Pferde leben. Aufgrund der Anzahl und der Beschaffenheit der Spuren können wir schlussfolgern, dass es auch Fohlen und Jungtiere gibt. Die Herden werden wohl eher klein sein und insgesamt werden nicht sehr viele Tiere hier leben.

Naturweide in den Bergen

Eike erkundet zusammen mit Jael eine Hochebene.

Kothaufen wilde Pferde
Die Pferdeäpfel sind nicht von letzter Nacht.
Tierspur vom Pferd
Ein Hufabdruck an einer Wasserstelle.
Überreste von einem Wildpferd

Lebend wäre uns dieses Wildpferd lieber gewesen.

Hilfe von Locals

Wir beschließen das Gebiet zunächst wieder zu verlassen und versuchen in der näheren Umgebung einheimische Bauern zu treffen.

Wir müssen eine ganze Weile fahren, bis wir ein paar Hütten und Zäune entdecken. Eike ist begeistert, als sie merkt, dass hier Wildkräuter getrocknet werden. Obwohl wir nur wenige Worte der Landessprache können, unterhalten wir uns lange mit dem „Kräutermann“.

Er erzählt uns mit Händen und Füßen, wie und wo er die Wildkräuter sammelt und wofür sie gut sind. So kaufen wir ihm diverse getrocknete Kräuter ab, die er in kleine Tüten verpackt und mit Namen beschriftet.

Eine Win-Win-Situation und nebenbei haben wir wieder ein paar Worte gelernt.

Hütte im Gebirge
Eike und der "Kräutermann" verstehen sich auch ohne Dolmetscher.
getrocknete Kräuter
Wilde Blaubeeren. Außerdem hat Eike noch Lindenblüten, wilden Thymian, wilden Wermut bekommen.

Als wir noch länger zusammensitzen und er uns Bilder von dem Gebiet zeigt, erkennen wir einige Stellen wieder und der Kräutermann bestätigt uns, dass es dort einige, wenige Pferde gibt. Außerdem hat er oben in den Bergen eine kleine Schutzhütte, die uns bei einem längeren Aufenthalt als Basisstation dienen könnte.

Und so verlassen wir frohen Mutes, auch ohne Wildpferde gesehen zu haben, die einsame Bergwelt und machen uns auf den Rückweg ins „gute alte Europa“.

Wieder am Mittelmeer angekommen, decken wir uns mit frischem Obst und Gemüse ein, gönnen uns einen Kaffee und überlegen, wann wir die Suche nach den Wildpferden in den Bergen fortsetzen können.

Knoblauch
Wir sind wohlbehalten zurück und ...
Kaffeepause
... genießen noch ein paar Sonnentage am Meer. 
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Weil die einzigartige Bindung zu einem glücklichen, gesunden Pferd eine der größten Gaben des Lebens ist – oder!