Marc Lubetzki mit Lusitano Fado

Welche Beziehung hast du zu deinem Pferd?

Der Beziehungsaufbau zwischen Pferd und Mensch ist seit einigen Jahren in aller Munde, zum Glück. Denn es ist wichtig, dass wir gute Beziehungen zu unseren Pferden haben. In diesem Blogartikel bekommst du Anregungen wie du die Beziehung zu deinem Pferd verbessern und natürlicher gestalten kannst.

Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Wege eine Beziehung zu einem Pferd einzugehen. Der Mensch kann verlangen, dass sich ein Tier an seine Vorgaben und Gewohnheiten anzupassen hat. Mensch bleibt Mensch und Pferd wird „menschlicher“. Das Tier führt Anweisungen nach dem Vorbild einer hierarchischen Struktur, die wir aus dem Militär kennen, aus. Leider ist diese abhängige Beziehung in der Pferdewelt auch heute noch sehr verbreitet. Letztendlich liegt der Ursprung in den Ausbildungsmethoden der Kavallerie. Eine Beziehung die funktioniert. Aber ist sie pferdegerecht? Im Grunde gibt es nur eine pferdegerechte Möglichkeit eine Beziehung zu einem Pferd aufzubauen. Wir müssen unser Verhalten dem der Pferde anpassen. Nur dann haben wir die Chance, dass ein Pferd eine freiwillige und freundschaftliche Beziehung mit uns eingeht.

Für viele Pferdemenschen ist es selbstverständlich, ihren Pferden nicht wie ein Raubtier gegenüberzutreten und sie versuchen „Pferdesprache“ anzuwenden. Das ist ein erster guter Schritt um Vertrauen zu einem Pferd zu gewinnen. Für eine feinere Kommunikation ist es allerdings noch notwenig in die Details der Signalgebung der verschiedenen Pferde einzusteigen. Und für einen wirklichen Beziehungsaufbau ist das sogar zwingend erforderlich. Unser Vorbild dafür ist eine Pferdegemeinschaft, die in einer natürlich gewachsen Struktur lebt.

Die Grundlage einer Beziehung zwischen Pferden wird durch die Zugehörigkeit zu ihrer Herde vorgegeben. Innerhalb einer Gruppe finden wir eine Balance die auf den verschiedenen Geschlechtern, Altersstufen und Charakteren basiert. Die einzelnen Pferde pflegen unterschiedliche Beziehungen zueinander. Irgendwo in diesem Beziehungsgeflecht müssen wir unseren Platz finden. Von dort aus können wir unsere Beziehung zu den jeweiligen Pferden individuell aufbauen und vertiefen.

Wildpferde beim Grasen.
Wildpferde einer Herde grasen miteinander.
Marc Lubetzki mit Knabstrupper
Mein altes Pony grast neben mir, während ich Gräser und Kräuter bestimme.

Die Beziehungen zwischen Pferden verstehen

Mutterstuten haben eine ganz besondere Beziehung zu ihrem Fohlen. Auch die Freundschaften zwischen Stuten aus einer Herde können so innig sein, dass es als Mensch nahezu unmöglich ist, ein vergleichbares Niveau zu erreichen. Aber es gibt auch Beziehungen zwischen Pferden einer Gruppe, die nicht ganz so intensiv sind. So pflegt der Althengst Kontakte zu jedem Pferd aus seiner Herde. Seine Interaktionen sind meist kürzer als die zwischen Stuten. Auch das Sozialverhalten von Jungtieren kann ein guter Ansatzpunkt für uns sein. Jungtiere haben mehr Freiheiten und weniger Aufgaben als die Pferde, die den erfahrenen Kern einer Herde bilden. Daher empfehle ich auch in meinem Buch „Im Gespräch mit wilden Pferden“ zu Beginn das Verhalten und die Kommunikation von Jährlingen zu übernehmen und erst im Laufe der Zeit zu einem erwachsenen und erfahrenen Mitglied der Herde zu werden. Ich weiß, dass viele Menschen Bedenken haben diesen Weg zu gehen. Es ist die Angst vor Kontrollverlust, die Menschen immer wieder dazu verleitet eine Kommunikation auf Grundlage von Kommandos und Konditionierung zu verwenden. Ein Teufelskreis, denn auf Angst oder Unsicherheit kann keine vertrauensvolle Beziehung zu einem Pferd aufgebaut werden.

Exmoor-Ponys
Zwei Exmoor-Ponys kontrollieren die Umgebung.
Pferd Mensch Beziehung
Mein Lusitano Fado beobachtet zusammen mit mir Pferde auf einer Nachbarkoppel.

Herden beobachten

Um die Beziehungsarten zwischen Pferden zu erkennen braucht es ein wenig Übung. Neben dem Verhalten der Tiere geben uns auch die von ihnen verwendeten Signale Aufschluss über ihre Beziehung zueinander. Das ist wiederum wichtig für unseren Beziehungsaufbau zu ihnen. Denn zu einer vertrauensvollen Beziehung gehört auch die Konstanz in der Kommunikation, vorangestellt der Körpersprache. Selbst bei ritualisierten Abläufen im Alltag der Wildpferde gibt es Unterschiede  in der Signalgebung aufgrund von Beziehungsverhältnis, Geschlecht, Lebensalter und Charakter der einzelnen Pferde.

Beziehung und Kommunikation

Übersetzen wir die „Pferdesprache“ in unsere Welt können wir durchaus Parallelen finden. Meine Neffen zum Beispiel unterhalten sich wie für Teeanger üblich ganz anders, als ich mit ihrer Mutter, meiner Schwester spreche. Und nach über 30 Jahren Ehe habe ich mit meiner Frau ganz andere Gesprächsthemen und eine eingespieltere Beziehung als mit irgendwem anders. Wogegen sich ein Treffen mit meiner Yogalehrerin auf ihre Erklärungen der Übungen konzentriert. Ein vergleichbares Beziehungsverhältnis besteht nach meinen Beobachtungen übrigens auch zwischen vielen Pferden und ihren Ausbildern. Ja, das ist vielleicht ok und Übungsanleitungen einer Yogalehrerin sind mir lieber als Kommandos von einem General. Aber wäre nicht eine richtige Freundschaft mit unseren Pferden noch viel schöner?

Eine Beziehung anbieten

Genauso wie wir in der Menschenwelt eine Beziehung pflegen und vertiefen können, so dass sich eine enge Freundschaft daraus entwickelt, ist es auch mit Pferden möglich. Dafür müssen wir allerdings beständig in unserem Verhalten und unserer Kommunikation sein, sodass unsere Pferde uns jederzeit einschätzen können. Jedes Pferd muss auf Anhieb erkennen können, ob wir uns verhalten wie ein Hengst oder wie eine Stute, welchen Charakter wir haben und in welchem Lebensalter wir uns befinden. Bieten wir ihm dann eine Beziehung mit uns an, ist es sehr wahrscheinlich, dass unser Angebot auf Basis unserer Rolle in der Herde angenommen wird. Auf dieser Grundlage kann dann im Laufe der Zeit eine echte und dauerhafte Freundschaft zwischen Pferd und Mensch entstehen.

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