Der Weg ist das Ziel – ein schönes Motto um zu reisen. Seit sieben Jahren besuche ich regelmäßig die Exmoor-Ponys in ihrem ursprünglichen Lebensraum im Südwesten Englands. Höchste Zeit, um die Anreise mal etwas entspannter anzugehen. Bereits 2012 war ich ungewollt die südliche Route von London nach Somerset gefahren – schön, aber anstrengend. Diesmal wollte ich es ganz bewusst machen und mir Zeit für die beiden Highlights auf der Strecke nehmen. Die Highlights aus Pferdesicht, natürlich.
Eine liebe Freundin wollte mich auf dieser Reise begleiten, das war auch eine gute Idee. Ich gelte nämlich als nicht unbedingt so spontan, wie man es für einen Weltenbummler vermutet. Inka dagegen ist sehr spontan und lehnte es ab vorher irgendetwas in England zu buchen. Sie meinte, wir können dort bleiben, wo es schön ist.
Ankunft in London
Na gut, wir düsten also mit dem Flieger nach London und machten uns per Mietwagen direkt auf dem Weg in Richtung Küste. Englisch Breakfast at the beach oder wie die Engländer sagen at the waterfront fand ich gut. Es ist nicht weit von London an die Atlantikküste. Nach ein paar Minuten habe ich mich auch wieder an das Fahren auf der anderen Seite gewöhnt. Nur das rückwärts Einparken am Brighton Pier war noch etwas merkwürdig. Noch merkwürdiger ist, dass man beim Parkticket lösen sein plate (Nummernschild) in den Automaten eintippen muss. OK, alles korrekt gemacht, jetzt kann auch der Marc entspannen und die ersten Fotos machen.
Das Leben genießen – machen was Spaß macht!
Magisch angezogen vom alten Westpier stampfe ich gleich mit der Kamera an den steinigen Strand. Während Inka nach Steinen und Muscheln suchte, habe ich mit dem ND-Filter und Langzeitbelichtungen gespielt. Das Wasser um den Pier sollte softer aussehen. Als wir unseren Blick vom Meer zurück in Richtung Promenade wendeten, pusten wir beide gleichzeitig: „Eine Café!“ Wenig später hatten wir bei herrlichem Sonnenschein unser erstes englisch Breakfast – für mich sogar als Veggie-Variante.

Auch, wenn man sicherlich mehr Zeit in Brighton verbringen könnte, so wollte ich weiter. Ein Ort ohne Pferde ist für mich nie so schön, wie ein Ort mit Pferden und so ein Ort ist nur wenige Meilen von Brighton entfernt. In der Grafschaft Hampshire liegt der New Forest Nationalpark. Wie der Name leicht verrät: die Heimat der New Forest Ponys.
Drei große Nationalparks in Südengland
Durch die Nähe zu London ist der New Forest auch der meist besuchte der drei großen Nationalparks in Südengland. Früher war der New Forest ein dichter Wald. Heute ist er immer noch oder teilweise wieder stark bewaldet, aber es gibt auch Flächen, die freier sind. Wilde Pferde leben in allen Gebieten, weshalb es mich auch direkt in die Wälder zog. Natürlich sind die New Forest Ponys dort schwerer zu finden, aber durch die Touristen sollten sie den Anblick von Menschen gewöhnt sein und zumindest, wenn man sie entdeckt hat, nicht weglaufen.

Wir hatten großes Glück. Nach kurzer Suche stießen wir auf eine kleine Herde in einem dichten Wald. Das Gebiet war urwaldartig und ein paar umgestürzte alte Bäume haben das Blätterdach aufgerissen, sodass etwas Sonnenlicht bis auf den dunklen Waldboden schien. Die Pferde waren zwar nicht scheu, aber sie zeigten auch kein Interesse. Sie wollten lieber in Ruhe fressen. So entfernten sie sich langsam von uns und zogen tiefer in den Wald.
Wie wild sind die New Forest Ponys?
Erst viele Meilen weiter, nachdem wir auf freiere Flächen gelangten, haben wir die nächsten Pferde gesichtet. Überraschend scheu zeigten sie sich nur für kurze Momente zwischen üppiger Vegetation. Die Vielfalt der New Forest Ponys wurde trotzdem schnell deutlich. Vom kleinen “Stoppelhopser“ über farbenprächtige Schecken, bis hin zum eleganten Braunen – die New Forest Ponys brillieren durch ihre Individualität.



Ähnlich soll es sich auch mit den Dartmoor-Ponys verhalten. Während im New Forest die Vielfalt der Ponys durchaus gewollt ist, soll das Dartmoor „out of control” sein. Herrlich, denn was ist natürlicher, als wenn Pferde sich selbst in Gruppen aufteilen?
Auf ins Dartmoor
Es wurde schon langsam dunkel und wir brauchten dringend eine Unterkunft. Im Zeitalter von Smartphones kein Problem, dachte Inka. Schnell ein paar B&Bs gegoogelt und kurz anrufen, um zu reservieren. Kurze Zeit später hörte ich, während ich mich von Kreisverkehr zu Kreisverkehr vorkämpfte immer wieder die gleichen Gesprächsfetzen vom Beifahrersitz: „Hello, Inka is speaking… „ und „ …sorry we´re fully booked.“


Ich freute mich schon auf eine Nacht draußen im Moor, als Inka gefühlte zwei Stunden später trompete: „Princehall – in the middle of the dartmoor“ und ergänzte noch hastig: „Kitchen is open til 8.00 pm.“ Die Küchen schließen in England wirklich pünktlich. Es wäre daher unwahrscheinlich, wenn wir um 5 nach 8 ankommen würden, dass wir noch etwas zu essen bekommen würden. No risk no fun – wir verzichteten auf einen Einkaufsstopp und ich gab Vollgas.
Spontan zu sein kann auch stressig sein…
Die Straßen wurden immer kleiner, so war´s egal, auf welcher Seite ich fuhr. Rechts und links donnerten eh die Zweige von den Hecken gegen das Auto. „Gut, dass wir für 4 Pfund pro Tag noch die Vollkasko dazu gebucht haben,“ dachte ich. Glücklicherweise haben wir zielsicher und zehn Minuten vor Küchenschluss unsere Luxusherberge gefunden. Doppelt Glück, denn wir haben einen last minute Preis bekommen – mehr last minute ging auch nicht.





Der nächste Morgen. Die anderen Gäste schliefen noch tief und fest. Für uns ging es zwei Stunden vor Sonnenaufgang raus ins Moor. Es sollen ungefähr 1.500 Dartmoor-Ponys frei und wild im Moor leben. Bei so vielen Pferden sollte man meinen, dass es nicht zu lange dauert, bis man sie findet. Ein einfacher Dreisatz verdeutlicht aber, dass man sehr viel Glück braucht.
Fläche pro Dartmoor-Pony = 63 Hektar
Empfehlungen für die Pferdehaltung von 1 ha pro Pferd erscheinen da verschwindend gering. Gering ist auch die Chance Dartmoor-Ponys bei Dunkelheit zu finden. Nun sind 63 Hektar (630.000 qm) zwar keine unlösbare Aufgabe um ein Pony zu finden, aber die Ponys stehen natürlich nicht gleichmäßig verteilt im Dartmoor. Dazu erschweren hoher Bewuchs und dichter Nebel oft die Sicht.

Das Dartmoor ist bekannt für seine zahlreichen Steinformationen. Steinkreise aus der Bronzezeit, die als Grundmauern für Behausungen dienten, genauso wie Steinreihen, die als Transportschienen genutzt wurden, sind neben den mystischen Felsentors Besonderheiten des Dartmoors.
Myhten & Legenden
Legenden wie „Der Hound von Baskervilles“ oder geheime Anlagen des Militärs versetzten einen schnell in eine undefinierbare Stimmung. Vor der „roten Zone“ wurden wir gewarnt. Sie ist auch auf allen Karten eingezeichnet und nähert man sich ihr trotzdem, stößt man über mehrere Kilometer auf Warnschilder „DANGER“, die unübersehbar im Abstand von nur wenigen Metern aufgereiht sind. Die rote Zone war also (erst mal) tabu. Am ersten Tag wollte ich aber eh in the middle oder wie es richtig heißt: in the heart of the Dartmoor bleiben. Das Houndtor oder das Haytor im Morgenlicht mit einer Herde Dartmoor-Ponys, das wäre der Hammer.

Die Stille ist fast unheimlich. Ich versuche einen Tipp, den ich auf meiner letzten Reise zu den Wildpferden nach Bosnien von einem Guide bekommen habe: Zwei Minuten still verharren und lauschen. Entweder sind meine Ohren schlechter oder die Dartmoor-Ponys sind sehr leise. Nirgends ist ein Wiehern, Schnauben oder auch nur ein Kaugeräusch zu hören. Auch Hufspuren oder Kothaufen sind nicht zu entdecken. Eine Drohne mit Wärmebildkamera würde die Suche deutlich vereinfachen. So reizvoll der Gedanke auch ist – die Stimmung wäre zerstört und wahrscheinlich wäre ich sofort vom MI5 umstellt. Also, Old School: Laufen, vom Gefühl leiten lassen und zwischendurch immer mal horchen und schnuppern. Wenig später waren wir umringt von Dartmoor-Ponys. Als ob sie auf uns gewartet hätten.

Es brauchte noch etwas Zeit und Geduld, bis ich eine Herde bei schönem Licht vor den typischen Felsen vor die Kamera bekam.





Uns zog es weiter in Richtung Somerset. Im Exmoor wollte ich alte Bekannte treffen. Aber wir waren uns einig: Auf dem Rückweg wollen wir erneut im Dartmoor Station machen. Ja, reisen kann Spontanität gut vertragen, aber sie sollte mit viel Zeit, Geduld und Muße einhergehen. Nur so kann der Weg zum Ziel werden.


