PFERDE UND INSEKTEN

Das Insektensterben ist in aller Munde. Fragt man allerdings einen Pferdehalter, hat der davon noch nicht viel mitbekommen und antwortet sarkastisch: „Hoffentlich bald!“

Das Pferde im besonderen Maße von Insekten geplagt werden hat mehrere Gründe. Zunächst gibt es in der Summe tatsächlich weniger Insekten als vor ein paar Jahren, was theoretisch zu einer Minimierung der Belastung durch Insekten führen müsste. Trotzdem berichten viele Pferdehalter über eine Zunahme von Insekten. Woran liegt das?

Die Anzahl der Insekten ist durch den Einsatz von Pestiziden in der industriellen Landwirtschaft und den Ausbau von Windkraftanlagen massiv gesunken. Das Felder, die regelmäßig mit dem immer noch in Deutschland zugelassen Glyphosat totgespritzt werden, keinen Lebensraum für Insekten mehr bieten, ist jedem Kind klar. Es wird auf 40 Prozent aller Ackerflächen in Deutschland eingesetzt, gilt laut WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ und Hauptgrund für die Zerstörung der biologischen Vielfalt.

Bei den Windkraftanlagen ist der Einfluss auf das Insektensterben nicht ganz so offensichtlich. Da mag man denken, dass nur im direkten Umfeld einer Windkraftanlage ein paar Insekten durch die Rotorblätter zerschlagen werden und Insekten nur selten auf eine Flughöhe von 50 bis 250 Meter Höhe fliegen. Aber genau auf diese Flughöhen steigen viele Insektenschwärme auf, um sich durch Luftströme zu ihren entfernten Eiablageplätzen treiben zu lassen. Dadurch werden nicht nur viele Insekten getötet, sondern zusätzlich noch die nächste Generation vernichtet.

Für eine weitere Reduzierung von Insekten sorgen das regelmäßige kurz Mähen von Straßenrändern und Wegen, wobei nicht einmal die Seitenstreifen von Fahrradwegen verschont bleiben. Einen weiteren traurigen Beitrag zum Insektensterben leistet die unnatürliche Gestaltung von Hausgärten.

 

WO FINDEN INSEKTEN NOCH LEBENSRÄUME?

Nicht nur die Anzahl der Insekten wird weniger, sondern auch ihre Lebensräume. Viele Hausgärten und alle industriell genutzten Ackerflächen, auf denen oftmals auch noch Windräder stehen, sind mittlerweile fast insektenfrei, man konnte auch sagen: leblos. Aber auch auf den Grünflächen sieht es schlecht für Insekten aus. Noch vor ein paar Jahrzehnten sah man überall auf den Wiesen Kühe grasen. Heute muss man danach suchen. Die meisten Rinder, selbst in der biologischen Landwirtschaft stehen die überwiegende Zeit im Stall. Im besten Fall kommen sie für zwei Stunden pro Tag auf eine hofnahe Wiese, die eher einem kleinen Auslauf gleicht. Und die riesigen Grünflächen? Dort wird Futter angebaut, welches dann im Stall gefüttert wird. Neben Getreide und Mais auch Gras. Das Gras wird schon sehr früh im Jahr geerntet. Dafür werden noch bevor sich die Insekten vermehren konnten oder die Grasblüten den Insekten als Nahrung zur Verfügung standen, die Flächen bis auf die Grasnarbe herunter gemäht. Daher sind leider auch die meisten Grünflächen kein idealer Lebensraum mehr für Insekten.

Wiesen, auf denen Tiere grasen und Wälder sind die letzten übrig gebliebenen Inseln für Insekten. Dort sammeln sie sich und belasten die wenigen Tiere überproportional. Verstärkt wird die Belastung für die Säugetiere noch dadurch, dass es sich dann meist nicht mehr um die „guten“ Insekten wie Wildbienen, Hummeln oder Schmetterlinge handelt, sondern um die „lästigen“ wie Kuhfliegen, Mücken und Bremsen.

 

WAS KÖNNEN WIR MENSCHEN TUN?

Erst mal sollten wir nicht sofort alles, was uns die Politik und die Industrie als die super Lösung verkauft glauben. Mit ein wenig gesundem Menschenverstand, einem Verständnis für die Kreisläufe in der Natur, erkennen wir schnell, das ein ausgewogenes Gleichgewicht auf lange Sicht eine bessere Lösung ist als einseitige Veränderungen. Für die Landwirtschaft bedeutet das: ein viel größerer Anteil an echten Biobetrieben, bei denen die Tiere wirklich die Flächen beweiden und Gräser die Chance haben zu blühen. Für die Trendi-Großstadt-Grünen: Versucht bitte die Zusammenhänge in der Natur zu verstehen, bevor ihr radikale Maßnahmen im Bezug auf Energie und Mobilität propagiert. Für die Hausbesitzer: Statt einen Mähroboter zu kaufen, einfach einmal ein paar Quadratmeter Gras hochwachsen zu lassen, damit es blühen kann. Und für die Pferdebesitzer: Insektenfallen aufstellen, damit unsere Pferde Ruhe vor den Insekten haben? NEIN!

 

EIN NATÜRLICHER LEBENSRAUM FÜR PFERDE

Als Pferdehalter sind wir in der glücklichen Lage, dass wir beiden helfen können: unseren Pferden und den Insekten. Schaffen wir einen natürlichen Lebensraum für unsere Pferde, haben unsere Pferde die Möglichkeit, den Insekten aus dem Weg zu gehen und die Insekten finden trotzdem ihren Platz und können so ihren unverzichtbaren Beitrag für das Ökosystem leisten.

 

DIE STRATEGIEN DER WILDPFERDE

Wild lebende Pferde nutzen mehrere Strategien, um die Belastung von Insekten zu reduzieren. Sogar bei einem hohen Aufkommen von Insekten in Feuchtgebieten überstehen die Wildpferde die warmen Sommermonate unbeschadet.

Wildpferde nutzen eine Vielfalt an Möglichkeiten als natürlichen Insektenschutz.

Einige sehr effektive Maßnahmen der Insektenabwehr habe ich vor einiger Zeit am eigenen Leib gespürt. In den Abendstunden eines feuchtwarmen, fast windstillen Tages war ich auf dem Weg zu einer Herde wild lebender Koniks. Diese standen schon von Weitem gut sichtbar auf einer großen ebenen Fläche. Die Fläche war umgeben von Schilfgras und Binsen, was auf nasse Böden mit oft stehenden Gewässern hindeutet. Ideale Lebensbedingungen für Mücken, Fliegen und andere Insekten. Daher dauerte es auch nicht lange, bis eine Wolke von Moskitos um mich herum schwirrte. Trotz guter Vorbereitung durch eine dicke Schicht von Ölen auf Gesicht und Händen sowie moskitosicherer Kleidung war für mich der Ansturm der Insekten dermaßen anstrengend, dass ich überlegte, meine Beobachtungen abzubrechen und umzukehren. Glücklicherweise entschied ich mich zu bleiben und mich den Pferden anzunähern. Ich fragte mich, warum die Pferde seit Tagen keinen Standortwechsel mehr gemacht hatten. Was ist an diesem Ort, der so dermaßen voll von Moskitos ist, nur so besonders, dass sie hier ausharren?

Koniks auf abgefressenen Grasflächen

An warmen Abenden ist die Belastung durch Insekten in Feuchtgebieten besonders groß.

Als ich einige Zeit später direkt zwischen ihnen stand, bemerkte ich, dass dort, wo sich die Herde aufhielt, fast gar keine Fliegen oder Mücken waren, während vorher in etwa 200 Metern Entfernung es nur so vor Plagegeistern um mich herum wimmelte.

kurze Weide

Bei kurz gefressener Vegetation ist die Belastung durch Insekten geringer.

Pferde enger Raum

Die Koniks rücken dicht zusammen und vertreiben sich gegenseitig die Fliegen.

Jetzt, zwischen der Herde verspürte ich eine frische Brise. Tatsächlich geht genau an dieser Stelle des Feuchtgebietes aufgrund der topografischen Gegebenheiten immer ein leichter Luftzug über die Fläche. Außerdem war die gesamte Vegetation von den Pferden kurz gefressen. Jeder Futterexperte für Pferdeweiden würde das auf schärfste kritisieren. Gras soll nach gängiger Lehrmeinung niemals bis auf die Narbe abgefressen werden. Machen wir aber den Insektentest und gehen über eine eingangs von mir bemängelte kurz gemähte Grasfläche und vergleichen das mit einem Gang durch eine voll in Blüte stehende Weide, merken wir selbstverständlich den Unterschied. Logisch, sonst wäre das frühe und ständige Mähen von Grasflächen ja auch kein Problem für die Insekten. Trotzdem besteht aber noch ein großer Unterschied zwischen einer gemähten und einer beweideten Fläche. Auf einer beweideten Fläche wird der Bewuchs nicht in kürzester Zeit entfernt, sondern sukzessiv. Außerdem wird der Boden nicht so stark verdichtet und der Boden ist nicht so eben. Dadurch bleiben zum einen Lebensräume für Kleinstlebewesen wie Ameisen und Amphibien erhalten und Insekten und Spinnen können sich in Bereiche mit höherem Bewuchs zurückziehen.

Schlammbad Pferd

Durch ein Schlammbad wird aus dem Fell ein Schutzpanzer vor Insekten.

Der leichte Wind und die kurze Vegetation reduzieren die Belastung für die Pferde schon einmal erheblich. Trotzdem sind immer noch Insekten unterwegs, weshalb fast alle Wildpferde den klassischen natürlichen Insektenschutz durch die Kombination von Wasser- und Sandbädern nutzen. Teilweise entsteht dadurch ein richtiger Fellpanzer, welcher nahezu undurchdringlich für Mücken ist. Bleiben nur noch die Körperöffnungen: Augen, Nase, Ohren und auch Mähnen- sowie der Schweifansatz. Hierbei kommt den Pferden die soziale Gemeinschaft zu gute. So stehen sie im Sommer die meiste Zeit des Tages eng zusammen. Nicht nur beim Ruhen, sondern auch beim Fressen. Dicht an dicht wedeln sie sich gegenseitig mit ihren Schweifen die Insekten weg. Die besonders hartnäckigen Kriebelmücken entfernen sie sich durch häufiges Grooming aus dem Langhaar. Während wir die soziale Fellpflege normalerweise meist in den Abendstunden beobachten können, sehen wir im Sommer auch bei Sonnenaufgang Pferde groomen.

Soziale Fellpflege

Bei der sozialen Fellpflege knabbern sich die Pferde gegenseitig die Kriebelmücken aus dem Langhaar.

DAS KANNST DU MACHEN, UM DEINEM PFERD ZU HELFEN

Gestalte deine Ausläufe und Weiden so, dass deine Pferde einen Standort wählen können, in dem weniger Insekten vorkommen. Schaffe gleichzeitig Bereiche, die für Insekten attraktiv sind, um sie so auf natürliche Weise von deinen Pferden fernzuhalten. Biete deinen Pferden die Möglichkeit für ein Schlammbad oder dusche sie an heißen Tagen und lasse sie sich anschließend wälzen. Putze danach dein Pferd aber nicht wieder turnierreif, sondern biete ihm besonders zur Dämmerung eine soziale Fellpflege an, bei der du dich bevorzugt um den Schweifansatz und die Mähne kümmerst. Und zu guter Letzt: Die Gruppenhaltung bietet Pferden viele Vorteile, nicht nur bei der Abwehr von Moskitos. Achte aber darauf, dass es sich um eine harmonische Gruppe handelt, in der bei Bedarf alle Pferde friedlich eng zusammenstehen können.

Share the Post:

Masterclass

Lerne von wilden Pferden!

Denn du kannst so viel von ihnen lernen – wie ihre Herden funktionieren, wie du ihre tief verwurzelten Bedürfnisse mit einfachen Mitteln erfüllen und in ihrer Muttersprache mit ihnen kommunizieren kannst.

Mit diesem Wissen kannst du eine starke Partnerschaft auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen und Respekt aufbauen und deinem Pferd ein naturnahes Leben ermöglichen.

Weil die einzigartige Bindung zu einem glücklichen, gesunden Pferd eine der größten Gaben des Lebens ist – oder!