Das Thema Rangordnung spaltet die Reiterwelt. Die einen sind vehemente Verfechter der Leittiertheorie und die anderen setzen auf ein partnerschaftliches Miteinander oder behaupten, dass die Stuten die eigentlichen Anführer einer Herde sind. Fakt ist: Eine Herde braucht eine Führung. Führung ist allerdings für Pferde nicht das gleiche wie Rangordnung.
RANGORDNUNG
Mehrere Herden verlassen geordnet den Wald und ziehen in ein neues Weidegebiet.
WIE PFERDE ORGANISIERT SIND
In der Natur schließen sich immer mehrere Herden zu einer großen Sozialgemeinschaft, dem Herdenverband zusammen. Ein Herdenverband umfasst zwischen 100 bis 250 Pferde, die sich in bis zu 30 Herden unterschiedlichster Größe aufteilen. In jeder Herde lebt mindestens ein erwachsener Hengst. Die meisten Herden begegnen sich regelmäßig, halten sich zeitweise vollkommen friedlich nebeneinander in einem Gebiet auf und vergrößern dann aber auch wieder den Abstand zueinander. Zwischen anderen Gruppen können wir wiederum Kämpfe zwischen Hengsten beobachten. Innerhalb einer Herde gibt es dagegen keine ernsthaften Auseinandersetzungen. Sehen wir also Konflikte zwischen unseren Hauspferden, ist das immer ein deutliches Zeichen dafür, dass die Pferde, wenn sie die freie Wahl hätten, nicht in einer Herde zusammenleben würden.
DAS PRINZIP HERDE
Die Herde können wir als Familie ansehen. In einer Familie sollte es ja auch bei uns Menschen keinen Streit geben und die einzelnen Mitglieder verbindet ein ganz besonders Band. Nicht von ungefähr kommt der Spruch „Blut ist dicker als Wasser“. Bei den Pferden ist der Zusammenhalt in der Herde sogar noch größer als bei uns Menschen. Die Pferde leben rund um die Uhr zusammen und entfernen sich nur in Ausnahmefällen für kurze Zeit von ihrer Herde. Für die Pferde steht das friedliche Zusammensein und die Vermeidung von Stress im Mittelpunkt. Ihre Sozialgemeinschaft gibt ihnen Schutz und Sicherheit. Damit das funktioniert, übernehmen die Pferde verschiedene Aufgaben, die es dann je nach Situation erforderlich machen, dass mal das eine und mal das andere Pferd die Führung übernimmt.
Die Stute hat für ihr Fohlen einen Weg mit festem Untergrund eingeschlagen.
Die Mutterstuten sind stets auf das Wohlergehen ihrer Fohlen bedacht.
KAMPF UM RESSOURCEN
Einen Kampf um Ressourcen gibt es innerhalb einer Herde nicht. Sowieso ist es in den meisten Lebensräumen, in denen ursprünglich Wildpferde lebten, selten, dass es von einer Pflanze nur wenige Exemplare gibt. Ist das doch einmal der Fall, gibt es trotzdem keinen Streit zwischen den Pferden aus einer Herde. Die Tiere drängen sich dicht an dicht und jedes Pferd hat die Möglichkeit zu fressen. Außer es sind andere Herden in der Nähe. Dann verzichtet der Hengst der Gruppe auf die Nahrung und sorgt dafür, dass die Pferde aus den anderen Gruppen seine Herde nicht stören. Solange die anderen Herden rangniedriger sind, ist das kein Problem und seine Herde kann in Ruhe weiter fressen. Nähert sich eine ranghöhere Gruppe, muss er mit seiner Herde das Feld räumen und den anderen den Weg frei machen. Genau diese Vermischung zwischen dem Sozialverhalten innerhalb einer Herde und dem Beziehungsstatus zwischen Pferden aus verschiedenen Herden können wir häufig in der Gruppenhaltung bei Hauspferden beobachten. Der Grund ist meist die unnatürliche Zusammenstellung der Gruppen.
In einer natürlich gewachsenen Herde gibt es auch bei begrenzten Ressourcen keine Streitigkeiten.
RANGORDNUNG ZWISCHEN DEN HERDEN
Zwischen den Herden gibt es also tatsächlich eine feste Rangordnung, während innerhalb einer Herde eine situationsbedingte Führung besteht. Für Pferde ist diese Unterscheidung die fundamentale Basis für ihren Alltag. Die Unterscheidung ihrer Beziehungen ist auch Grundlage ihrer Kommunikation. Weshalb Pferde innerhalb ihrer Herde andere Signale verwenden wie ein Tier, das sich mit einem Pferd aus einer anderen Herde trifft.
EINE WAHRHEIT, ZWEI GROSSE FEHLEr
Es gibt also je nach Beziehungsstatus mehrere Möglichkeiten, um als Mensch mit einem Pferd zu kommunizieren. Der erste große Fehler ist, wenn die Art der Kommunikation nicht zum Beziehungsstatus passt. Der zweite große Fehler ist, dass viele Menschen denken, sich gegenüber einem Pferd mit der Anwendung von körperlicher oder psychischer Gewalt zu einem Leittier machen zu können. Ja, es gibt zwar Leithengste in der Natur, aber sie wachsen über viele Jahre in ihre Aufgabe hinein und stellen den Großteil ihres Lebens zum Wohl der anderen Pferde hinten an. Und auch wenn es dein Wunsch ist „Leittier“ zu sein, so musst du zunächst Teil einer Gruppe von 2 bis 60 Pferden werden und in familiären Beziehungen zu ihnen stehen. Erst im Anschluss kannst innerhalb der Herde wachsen, Führungsaufgaben übernehmen und dich im Idealfall zu einem „Leittier“ und Vorbild für andere entwickeln.
Dem Leithengst und seiner Herde folgen auch die anderen Hengste des Herdenverbandes.
DIE FÜNF STUFEN DER BEZIEHUNGEN
Im Modul 8 der Masterclass beschreibe ich den gesamten Kommunikationsweg, den wir mit Pferden eingehen können. Vom ersten Kontakt über die verschiedenen Arten der familiären Beziehungen zu Pferden aus einer Herde, bis hin zum Verlassen einer Herde und dem Wiedertreffen als Freund (Leittier). Natürlich alles ohne die Anwendung von körperlicher oder geistiger Gewalt und ganz ohne Hilfsmittel. Denn für natürliche Beziehungen zu Pferden sind weder Hilfsmittel wie Halfter, Stricke oder Gerten noch Belohnung durch Futter nötig. Klingt das verlockend für dich? Dann schaue doch einfach mal rein in die Masterclass.