Seit 2012 lebe ich zwischen Wildpferden und dokumentiere ihr Verhalten und ihre Kommunikation. Die 10 wichtigsten Erkenntnisse meiner Forschung um die Haltung und den Umgang mit Hauspferden natürlicher zu gestalten sind:
Ja, Pferde leben auch in Steppen und Halbwüsten. Zu ihren ursprünglichen Lebensräumen gehören aber vor allem Naturwälder, Gebirge, Feuchtgebiete und halboffene Weidelandschaften. Besonders die mit Sträuchern durchsetzten Übergangszonen von Wäldern zu großen Freiflächen sind ihre bevorzugten Standorte. Idealerweise schaffen wir für unsere Hauspferde ein Umfeld, in dem alle diese fünf Zonen vorhanden sind.
Alle Pferde sind sehr soziale Tiere. Hengste pflegen allerdings viel mehr Kontakte als Stuten. Während Stuten sehr enge Beziehungen mit anderen Stuten aus ihrer Herde und ihrem Nachwuchs eingehen, haben Hengste zu allen Pferden aus ihrer Herde häufigen Kontakt. Darüberhinaus bestehen zwischen Althengsten aus verschiedenen Herden lebenslange Freundschaften. In der Hauspferdehaltung werden Hengste dagegen oft isoliert gehalten. Das ist ein totaler Gegensatz zu ihrem Leben in Freiheit.
Die Kommunikation zwischen Pferden ist viel komplexer, als die wenigen Signale, die Menschen zur Verständigung mit Pferden verwenden. Pferde sind sehr flexibel und facettenreich in ihren Dialogen. Sie passen schon bei Beginn einer Kommunikation ihre Signale an ihren Gesprächspartner, die Umgebung und die Situation an. Reduzieren wir Menschen die Kommunikation auf wenige sich wiederholende Signale, bleibt die Beziehung zu unseren Pferden oberflächlich und unvollständig.
Innerhalb einer Herde übernehmen je nach Situation einzelne oder mehrere Pferde eine klar definierte Aufgabe. In einer Herde gibt es demzufolge kein Leittier, das alle Entscheidungen trifft. Die Herde agiert als soziale Einheit. Trotzdem haben nicht alle Tiere den gleichen Einfluß auf das Verhalten der Gemeinschaft. Zwischen den einzelnen Gruppen eines Herdenverbandes besteht dagegen eine stabile Rangordnung. Diese wird von den jeweiligen Herdenhengsten in ritualisierten Begegnungen festgelegt.
Große Herden können bis auf sechzig und mehr Tiere anwachsen. Die kleinste Herde besteht dagegen lediglich aus zwei Pferden. Trotzdem sind diese Mini-Herden nicht allein. Es schließen sich immer mehrere Gruppen zu einem Herdenverband zusammen. Das die einzelnen Gruppen in Größe und Diversität verschieden sind, liegt am Alter und Charakter des Herdenhengstes. Fehlt in unserer Gruppenhaltung der Hengst, übernimmt ein Wallach oder eine Stute diese Aufgabe und formt den Herdencharakter.
Der Kopf ist für Pferde eine sehr private Zone. Berührungen finden in diesem Bereich nur selten statt. Menschen nehmen dagegen häufig Kontakt zum Pferdekopf auf. Entweder um ihr Pferd zu streicheln oder um es zu lenken. Dabei nutzen Pferde, um Verbundenheit zu zeigen oder um zu führen andere Areale. Berührungen am Kopf sind unter Pferden für wenige besondere Dialoge reserviert.
Pferde unterscheiden sehr genau, ob es sich um ein Pferd aus ihrer eigenen Herde handelt oder eins aus einer anderen Gruppe. Auch spielt das Geschlecht eine wichtige Rolle. Außerdem müssen die Pferde je nach Altersstufe verschiedene Umgangsformen beachten. Als Mensch sollten wir uns jederzeit darüber im Klaren sein, welche Rolle wir eingenommen haben und entsprechend mit jedem Pferd, aufgrund der daraus resultierenden Beziehung, angepasst kommunizieren.
Pferde leben im Rhythmus der Natur. Die Übergänge zwischen den Jahreszeiten sind dabei fließend. Sie gewöhnen sich sukzessiv an die Veränderung ihrer Nahrung und des Wetters. Der Zusammenhalt ihrer Herde hilft ihnen die einzelnen Jahreszeiten so angenehm wie möglich zu gestalten. Für die Pferde ist der saisonale Wechsel wichtig um insgesamt in der Balance zu bleiben. Stören wir bei unseren Hauspferden diesen Rhythmus oder passen die Nahrung und die Aktivität nicht den natürlichen Bedürfnissen der Pferde an, geraten sie aus dem Gleichgewicht.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten für ein Pferd seine Herde zu wechseln. Sowohl männliche, weibliche, junge, erwachsene und ältere Pferde können ihre Herde wechseln. Nur der Herdenhengst wechselt seine Herde nicht. Ein Herdenwechsel ist bei älteren Pferden seltener als bei jungen Tieren. Besonders junge Pferde lassen sich viel Zeit. Der Wechsel in eine neue Herde kann sich über ein halbes Jahr hinziehen. Ein Stallwechsel, wie er bei Hauspferden üblich ist, stellt für Pferde einen unnatürlichen Einschnitt dar und sollte reiflich überlegt sein. Wild lebende Pferde verlassen den ihnen bekannten Lebensraum nie und kennen die Pferde aus ihren Nachbarherden.
Pferde haben viel Zeit um in ihre Position hineinzuwachsen. Junge Mutterstuten brauchen sich in größeren Herden noch nicht an gemeinschaftlichen Aufgaben beteiligen und können sich in Ruhe um ihre ersten Fohlen kümmern. Junge Hengste haben genauso viel Zeit, um erwachsen zu werden. Wie Führung funktioniert lernen die Pferde dabei von den erfahrenen Tieren. Versuchen Menschen die Führung von Pferden von sich aus zu übernehmen, mißachten sie das Führungsaufgaben von Pferden aus Vertrauen angeboten werden.
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